Die Entdeckung der Langsamkeit beim Reisen

Eine lange Reise mit dem Auto gilt heute als ungewöhnlich. Dabei erschließt sich ein Land mit seiner Mentalität, Geisteshaltung und kulturellen Entwicklung – wie auch die Gemeinsamkeiten und Überschneidungen im kulturellen Schaffen Europas – eigentlich in der sukzessiven Erkundung.

Dieser Beitrag bietet Anregungen für eine Entdeckerfahrt: über die Schweiz nach Frankreich, dann ostwärts gegen Süden nach Andalusien und westwärts über altehrwürdige spanische Kulturstädte der Estremadura wie Salamanca zurück über Beaune im Burgund. Beispielhaft seien hier einige Stationen erwähnt und eine solche langsame Reise zur Nachahmung empfohlen.

Valence:
Das Musée de Valence im historischen Viertel, gegenüber der Kathedrale und unmittelbar am samtstäglichen exquisiten Erzeugermarkt gelegen, präsentiert einen Überblick von der römischen Kunst der antiken Stadt Valentia mit Beispielen an hervorragend erhaltenen Bodenmosaiken, Bronze- und Marmorskulpturen und den sehr seltenen römischen Malereien bis zur Gegenwartskunst eines Jean Le Moal. Über 1.500, teils außergewöhnliche Exponate, laden zur Entdeckertour ein, die bestens didaktisch begleitet und durch hervorragende Museumsarchitektur eine wahre Freude ist.

Valence – http://www.museedevalence.fr

Valencia:
Die Barockstadt ist eine der schönsten Europas. Die restaurierten Fassaden mit heiteren Architekturdekors sind so opulent, fröhlich und erzählfreudig wie die Menschen in dieser Stadt. Bekannt ist Valencia aber auch für die zahlreichen, gut besuchten Tapas-Bars und die herausragende Gastronomie, angefangen vom einzigartigen Unterwasser-Restaurant bis zu dem jährlich stattfindenden Event der „Coina abierta“, bei dem die besten Köche teilnehmen. Das quirlige Nachtleben findet auf der Straße bis in die frühen Morgenstunden seine Fortsetzung. Im Museum der schönen Künste sind Gemälde von Van Dyck, Valásquez und Goya ausgestellt und im Fallero Museum die typischen valenzianischen Pappmaché-Figuren, die währen des jährlichen Fallas-Festes hergestellt werden. Valencia ist eine Stadt, in die der Reisende gerne wiederkehrt und immer Neues entdecken kann.

Valencia – faszinierende Barockstadt:

Jaén:
Erreicht man von Valencía aus Jaén nach vielen Stunden Fahrt durch scheinbar unendliche Olivenhaine, dann sieht man von weitem das Castelo, in dem heute ein Parador internationale Gäste empfängt. Das Castelo bietet einen schönen Weitblick über die Stadt und auf die Kathedrale. Bedeutend ist Jaén durch das weltweit größte Olivenanbaugebiet mit sehr unterschiedlichen Teroirs, welche die rafifnierten Geschmacksnuancen mit lang anhaltendem Abgang ermöglichen. Die Differenzierung der Teroirs ist mit derjenigen des Burgund vergleichbar, denn die Parzellen in ihren geologischen und klimatischen Bedingungen sind teils deutlich voneinander verschieden. Zudem wachsen die Olivenbäume auf dem höchsten Niveau über dem Meeresspiegel überhaupt. Olivenöle aus Jaén, die im jährlichen Wettbewerb von Experten getestet und bewertet werden, gelten als die weltbesten. Im einzigen örtlichen Olivenölgeschäft werden die wertvollen Öle nach einer ausgiebigen Verkostung und bei fachkundigem, ausführlichen Rat verkauft (www.aceiterajaenera.es). Einige der Ölivenölproduzenten haben kunstvolle Dekors, die an Werke der spanischen Maler Miró und Tapiés erinnern, auf ihren Ölflaschen abgebildet: Kunst und Genuss in perfekter Harmonie. Allein der exzellenten Öle wegen lohnt der Besuch dieses abgeleglenen Orts.

Cáceres – Kulturerbe der UNESCO:
in dem Stadtpalais, Casa Palacio de los Becerra – Fundación MCCB, wird derzeit die Ausstellung „De Fortuny a Sorolla – Collección Gerstenmaier“ gezeigt. Die Künstler Mariano Fortuny, Antonio Muñoz, Franisco Pradrilla Ortiz, u.a. und besonders Joaquín Sorolla markierten als Wegbereiter der Moderne von Ende des 19. Jhs. bis 20. Jh. den Übergang der akademischen Tradition zur modernen Malerei, deren Einflüsse bis heute ihren Niederschlag im gegenwärtigen Kunstschaffen finden. Die Ausstellung mit Werken aus der privaten Colección Gerstenmaier versammelt einzigartige Beispiele der Kunstrichtungen von der Romantik, Impressionismus bis Modernismo, die ansonsten dem Blick der Öffentlichkeit verborgen sind.
Seit 2015 ist in Cacéres ein Privatmuseum eröffnet worden, das in den Räumen des prachtvollen Palacio de los Golfines de Abajo die Sammlung Doña Tatiana Pérez dde Guzmán  el Buena y Seebacher mit zahlreichen bedeutenden Exponaten präsentiert, die sowohl einen Einblick in das adlige Leben von Cáceres gewähren als auch Zeugnisse des reichen kulturellen Erbes in Europa sind.

Cacéres – Museumsinnenhof mit Bronzeskulpturen von Miquel Barceló

Museo de Cáceres – www.museodecaceres.gobex.es
Diese archaischen Figurinen lassen an Skulpturen von Max Ernst denken:


 

San Sebastián:
Im Bereich der Kunst wurde die Stadt durch die Skulpturen des international bekannten Künstlers Eudardo Chillida (San Sebastián 1924-2002)  bekannt. Dessen große, „Windkämme“ genannten, Stahlobjekte zieren einen Felsvorsprung an der östlichen Seite der Bucht. Mitten in der prachtvollen Altstadt, die im Stil des Art déco erbaut worden ist und vom vergangenen Reichtum zeugt, befindet sich das San Telmo Museoa STM. Das Museum vereint einen Neubau mit dem ehemaligen Kloster. In den aufgelassenen Klosterräumen hat der Künstler José María Sert (Barcelona, 1874-1945) auf elf riesigen Leinwänden die wesentlichen Ereignisse der Stadtgeschichte dargestellt. Sie umfassen eine Gesamtfläche von 784 qm und sind ein Highlight des Museums.

San Sebastián – Museum San Telmo – eines der 7 Leinwandbilder von J. M. Sert im ehemaligen Kloster:

 

 

San Sebastián – Museum, Kleines Gemälde von Joaquín Sorolla:

 

 

Altstadt San Sebastián – Moderne Skulptur an einer Kirchenfassade:

Beaune:
Südlich der belebten Großstadt Dijon lädt das beschauliche Städtchen Beaune mit seinem historischen Kern primär zum Genuss von Wein und Delikatessen ein  (Tipps: www.domaine-des-vins.com, www.enjoyfallot.com). Das kulturelle Highlight jedoch stellt der Weltgerichtsaltar von Rogier van der Weyden im Hospiz de Beaune dar. Das Kunstwerk beeindruckt durch Farbfrische, Erzählkunst, herausragende Maltechnik und exzellenten Erhaltungszustand. Van der Weyden, Schüler von Robert Campin, war der Kunst seiner Zeit weit voraus. Die Altartafeln (Öl auf Holz) befinden sich nicht mehr an ihrem ursprünglichen Platz in der Hospizkapelle, sondern sind nun eigens in einem konservatorischen Raum untergebracht. Eine riesige Lupe bewegt sich von Zeit zu Zeit über Teile der Altarbilder und ermöglicht eine Nahsicht, die die hohe Qualität der Malerei noch mehr vor Augen führt.
Musik-Empfehlung:
Abraham Cupeiro „Os Sons Esqucidos“. Der Musiker und Musikologe Cupeiro rekonstruiert und sammelt historische Instrumente. Mit dem Real Filharmonica de Galicia hat er als Solist mit dem von ihm gebauten zwei Meter hohen keltischen Horn eine CD eingespielt.

 

Salamanca – Altstadt